Bachelor der Woche: Biotechnologie

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Bachelor der Woche: Biotechnologie/BioinformatikBiotechnologie hat vielfältige Anwendungsgebiete

Noch vor wenigen Jahren wurde in China Beifuß in riesigen Plantagen angebaut, um aus den Wurzeln der Pflanzen einen Wirkstoff gegen Malaria zu gewinnen. Heute kann dieser Wirkstoff industriell von Bakterien produziert werden. Mit Hilfe der synthetischen Biotechnologie, einem aktuellem Forschungsgebiet, wurden die Stoffwechselwege des Beifußes auf Bakterien übertragen.

Bakterien und andere Mikroorganismen können Altöl und andere umweltschädliche Stoffe abbauen und in ungefährliche Stoffe umwandeln. Ein Verfahren, das als Bioremediation oder biologische Sanierung bekannt ist.

Beim Bioleaching werden Mikroorganismen, aber auch Pflanzen, dazu verwendet, um immer knapper werdende Schwermetalle wie Kupfer aus sogenannten „Armerzen“, also Erzen mit geringem Metallgehalt, herauszulösen. Dieser Prozess ist umweltschonender als andere Methoden. Heute werden weltweit rund ein Viertel des Kupfers und über zehn Prozent des Goldes mit biotechnologischen Verfahren gewonnen.

In einem weiteren Anwendungsfeld, der Biosensorik, werden mit Hilfe von Enzymen oder anderen bakteriellen Bestandteilen z.B. Blutzuckerwerte oder das Vorkommen von Antikörpern im Blut bestimmt.

Der Ursprung liegt in der Krebsforschung

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Blick in das Analytiklabor der Fachgruppe Biotechnologie | © René Kretschmer

„Die Mehrheit unserer Studiernden beginnt das Studium der Biotechnologie um danach in der Krebsforschung zu arbeiten. Der Antrieb ist leider meist auf das Auftreten der Krankheit im persönlichen Umfeld zurückzuführen“ so Röbbe Wünschiers, Professor für Biochemie & Molekularbiologie sowie Studiendekan des Studiengangs Biotechnologie an der Hochschule Mittweida.

In der Tat ist die Krebsforschung eines der größten Anwendungsgebiete der Biotechnologie. Doch sie ist noch viel mehr als das: Der Kampf gegen den Krebs war maßgeblich an der Entwicklung der Biotechnologie wie wir sie heute kennen und einsetzen beteiligt. Dabei ist Krebs so alt wie die Menschheit selbst. Zu Zeiten des ersten Weltkriegs wurden Geschwüre noch großflächig weggeschnitten – unschön und gefährlich für den Patienten und in vielen Fällen keine nachhaltige Therapie. Bereits in den 20er-Jahren wurden Substanzen entdeckt, die den Verlauf der Krankheit bremsen. Hinzu kam in den 30iger-Jahren die Entdeckung organischer Farbstoffe, mit denen sich bestimmte Zellen einfärben lassen. Substanzen, die spezifisch auf bestimmte Zelltypen wirken, ermöglichten eine viel gezieltere Erforschung und Anwendung von Wirkstoffen. Seit den 50er-Jahren steht die DNA im Mittelpunkt. Damit beginnt die molekulare Ursachenforschung am Krebs. Mit Erfolg: Die Forscher entdeckten, dass Krebszellen keinen natürlichen Zelltod durchlaufen. Gesunden Zellen ist ihr natürliches Ende einprogrammiert und nach einer definierten Anzahl von Teilungsvorgängen ist Schluss. Krebszellen dagegen teilen sich endlos. Bestes Beispiel hierfür sind die in der Krebsforschung eingesetzten HeLa-Zellen. Diese Krebszellen, die in Laboren auf der ganzen Welt experimentell eingesetzt werden, stammen alle von einem einzigen Krebsgeschwür, das Henrietta Lacks 1951 entfernt wurde. Inzwischen übersteigt die Gesamtmasse aller daraus entstandenen HeLa-Zellen die Körpermasse von Henrietta Lacks um mehr als das Hundertfache.

Ein weiterer wichtiger Meilenstein in der Krebsforschung waren die Entwicklungen in der Gentechnologie in den 70er-Jahren. Zum ersten Mal werden von Menschenhand genetische Konstrukte erzeugt, indem ein Gen in eine andere Zelle übertragen wird. Von nun an ist es das Ziel herauszufinden, welche Gene für das unkontrollierte Wachstum der Krebszellen verantwortlich sind, um diese durch eine Gentherapie auszuschalten. Dabei wird genetische Information beispielsweise mit Hilfe von Viren in die Zellen eingebracht, um dadurch das Wachstum der Zellen zu bremsen. Die Gentherapie zählt zu den aktuellen Verfahren im Kampf gegen Krebs und wird weiter erforscht.

So hat sich im letzten Jahrhundert auf den Grundlagen der Biologie, die beschreibt wie das Leben „funktioniert“, eine neue Wissenschaft entwickelt: die Biotechnologie. Ziel der Biotechnologie ist es biologisches Wissen über die Funktion von Zellen anzuwenden, um deren Funktion zu unserem Nutzen zu beeinflussen.

Von der Biotechnologie zur Bioinformatik

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Studenten im Bioinformatikpraktikum | © Dirk Labudde

Den vermeintlich wichtigsten Meilenstein haben wir in unserem kurzen geschichtlichen Abriss bisher ausgelassen: Die Entschlüsselung des menschlichen Erbgutes im Jahr 2000, das sogenannte Human Genom Projekt. Wieso vermeintlich? Das Ergebnis der Entschlüsselung sind rund 30.000 genetische Faktoren, deren Bedeutung wir größtenteils nicht kennen – und die nur etwa 3% unseres Erbgutes ausmachen. Es handelt sich also um eine riesige Datenmenge, deren Informationen wir nicht verstehen. Um diese Menge an Informationen zu untersuchen und auszuwerten, kommt eine weitere Wissenschaft ins Spiel: die Bioinformatik. Dieses Fach ist vergleichsweise jung und der Schritt in die Zukunft, denn ohne rechentechnische Unterstützung kann auch die Biotechnologie nicht mehr effektiv arbeiten. Die Möglichkeiten der Bioinformatik sind beeindruckend: Im letzten Jahr wurde auf Grundlage vorhandener Messdaten ein Computermodel des Bakteriums Mycoplasma genitalium erstellt. Durch diese computergestützte Modellierung und Simulation ist der Effekt genetischer Veränderungen auf das Verhalten der Zellen vorhersagbar. Ziel ist es, dieses Verfahren auf menschliche Zellen anzuwenden. Schon heute ist es möglich mittels der Bioinformatik Stoffwechselwege oder das Verhalten von Medikamenten zu simulieren. Dadurch lässt sich der Lösungsraum für ein biologisches Problem einschränken und nur ein Bruchteil der Experimente müssen tatsächlich durchgeführt werden. Das spart in der Forschung Zeit und Geld.

Synthetische Biologie

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Pipettierroboter bei der Arbeit | © Röbbe Wünschiers

Ein grundlegender Unterschied der Biotechnologie zu den Ingenieurwissenschaften ist die fehlende Standardisierung. Bakterien befinden sich in einem ständigen Veränderungsprozess und über die Funktion des Erbguts sind noch viel zu wenige Informationen vorhanden. Dem entgegen werden in der synthetischen Biologie aktuell biotechnologische Bausteine entwickelt, charakterisiert und standardisiert. Durch Kombination dieser Biobricks können definierte Prozesse umgesetzt werden. Ergebnis sind beispielsweise Bakterien, die spezielle Wirkstoffe oder Moleküle produzieren. Mit der synthetischen Biologie ist die Biotechnologie auf dem Weg zur Ingenieurwissenschaft.

Biotechnologie studieren

Wer sich nun für ein Studium der Biotechnologie interessiert, dem sei gesagt, dass Biotechnologie weit mehr ist als Krebsforschung und Gentechnik. Eine Frage aus der letzten Klausur unserer Studenten lautete „Nennen Sie die Teilbereiche der Biotechnologie und deren Farben.“. Farben? In der Tat ist das Spektrum der Biotechnologie so breit wie das der Farben:

  • grüne Biotechnologie (Pflanzenbiotechnologie)
  • gelbe Biotechnologie (Lebensmittelbiotechnologie)
  • rote Biotechnologie (Medizinische Biotechnologie)
  • weiße Biotechnologie (Industrielle Produktion)
  • graue Biotechnologie (Umweltbiotechnologie)
  • blaue Biotechnologie (Marinebiotechnologie)

Das Biotechnologiestudium an der Hochschule Mittweida vermittelt die Grundlagen für alle diese Bereiche. Eine naturwissenschaftliche Grundausbildung in den Fächern Mathematik, Physik und Chemie gehört genauso dazu, wie die vielen Praktika im Labor oder am PC. Ab dem dritten Semester muss einer von drei Studienschwerpunkten belegt werden. Zur Wahl stehen Umweltbiotechnologie, Molekulare Diagnostik und Bioinformatik. Dabei stehen in der Bioinformatik die Programmierung mit Java, der Umgang mit biologischen Algorithmen oder Biodatenbanken und diskrete Mathematik auf dem Lehrplan. Die Molekulare Diagnostik beschäftigt sich auf molekularer Ebene mit der Biotechnologie. Inhalt dieses Studienschwerpunktes ist das  Nutzen neuster biochemischer und molekularbiologischer Verfahren zur Diagnose von biologischen Veränderungen oder Krankheiten. Aber auch der Einfluss der Genomanalyse auf die Züchtung von Tieren und Pflanzen wird beleuchtet. In der Umweltbiotechnologie geht es dagegen um biologische Verfahren zur Vorbeugung und Nachsorge von Umweltschäden und darum, mittels solcher Verfahren Ressourcen verfügbar zu machen. Das Studium ist in jedem Fall so aufgebaut, dass vermitteltes Wissen aufeinander aufbaut und fächerübergreifend zur Anwendung gebracht werden kann.

Praxis für einen abwechslungsreichen Studienalltag

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Schülerpraktika im S1-Labor | © Lucy Stark

„Wo an einer Universität im Laborpraktikum 100 Studenten auf einen Dozenten und zwei studentische Hilfskräfte kommen, finden sich in Mittweida kleine Gruppen mit vier Personen pro Dozent. Dadurch ist eine intensive Betreuung möglich und jeder Student kann den Versuch eigenständig durchführen. Auch die Seminargruppen bestehen nie aus mehr als 30 Personen und jeder Student hat persönlichen Kontakt zu den Dozenten und Professoren.“ beschreibt Prof. Wünschiers die Studienbedingungen in Mittweida. „Darüber hinaus sind wir als familienfreundliche Hochschule engagiert jungen Familien ein Studium zu ermöglichen – unser jüngster Gasthörer, Linus, ist gerade 1 Jahr alt geworden“, so Professor Wünschiers weiter.

„Mit einem Kind ist das Studium meist nicht mehr so einfach“ weiß Silke Groß, Studentin der Biotechnologie, aus eigener Erfahrung. „An der Hochschule Mittweida ist das anders: Studenten kennen ihre Professoren und Dozenten persönlich, dadurch wird es möglich Praktika auch außerhalb der festgelegten Zeiten durchzuführen oder nachzuholen, wenn mal etwas mit dem Kind ist. Ein Studium der Biotechnologie an der HS Mittweida ist vor allem für praxisorientierte Studenten interessant. Durch die vielen Praktika wird die Theorie gleich angewendet und man versteht, wozu man das alles lernt. Der Studienalltag wird dadurch sehr abwechslungsreich und nicht so trocken.“

Für die Praxisausbildung in Bioverfahrenstechnik besteht eine Kooperation mit dem Helmholtzzentrum für Umweltforschung in Leipzig, wo sich die Mittweidaer Studenten mit der großtechnischen Anwendung der Biotechnologie praktisch auseinandersetzen können. Auch für Forschungsarbeiten, das 12-wöchige Praktikum und Abschlussarbeiten sind gute Kontakte zu Industrie und Unternehmen vorhanden.

Individuelle Betreuung und familiäre Atmosphäre

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Lehre im S1-Labor | © Jana Höhnisch

„Wer ein naturwissenschaftliches Grundinteresse, Wissensdurst und Forschergeist mitbringt, ist in Mittweida genau richtig. Wir fördern unsere Studenten in allen Bereichen. Studenten werden von uns individuell betreut – auch außerhalb von Vorlesungen und Praktika.“ sagt René Kretschmer, Lehrkraft der Fachgruppe Biotechnologie, über die Zusammenarbeit mit seinen Studenten.

„Während meines Abiturs war ich am ‚Tag der offenen Hochschultür‘ eigentlich nur als Begleitperson an der Hochschule Mittweida und ohne eigenes Interesse an einem Studium. Eher zufällig stolperte ich an diesem Tag über den Studiengang Biotechnologie. Der Modulplan sowie Gespräche mit anwesenden Professoren erweckten bei mir jedoch sofort Interesse und so beschloss ich, es in Angriff zu nehmen. Von 2008 bis 2011 studierte ich nun Biotechnologie an der Hochschule Mittweida. Das Studium bereitete mir durch Einblicke in die verschiedensten Anwendungsgebiete, die unglaubliche Vielseitigkeit sowie die familiäre Atmosphäre stets Freude, so dass ich es nie bereute mich für dieses Studium entschieden zu haben. Schnell beschloss ich auch meinen Master in Molekularbiologie/Bioinformatik an der Hochschule abzulegen, in dessen Endphase ich mich derzeit befinde. Und ich habe immer noch das Gefühl mit diesen Entscheidungen alles richtig gemacht zu haben.“ berichtet Tina Giersch über ihr Studium.

Wer im Bachelorstudiengang Biotechnologie auf den Geschmack gekommen ist und sich weiter qualifizieren möchte, kann den Master Molekularbiologie/Bioinformatik anschließen. Darin werden die Kunstfertigkeiten auf den Gebieten der Gentechnik, Systembiologie und Synthetischen Biologie weiter vertieft.

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