Absolventenportrait: Wer Soziale Arbeit nur theoretisch studiert, lernt an der Praxis vorbei

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Frank Flemming, Absolvent Soziale Arbeit

Frank Flemming hatte bereits eine Ausbildung absolviert, als er sich für ein Studium an der Hochschule Mittweida entschied: „2001 musste ich kurz vor meiner Gesellenprüfung zum Maler/Lackierer erkennen, dass es schwer werden würde, eine passende Arbeitsstelle zu finden. Daher überlegte ich, welche Alternativen sich mir boten. Nicht dass ich mich in meinem Beruf damals nicht wohl gefühlt hätte, aber ich dachte, dass es noch mehr geben muss. Besonders hilfreich waren damals das Berufsinformationszentrum des Arbeitsamtes und Bekannte aus meinem Umfeld, die mich schließlich dazu bewogen haben, ein Studium der Sozialpädagogik anzufangen ­– eine gute Entscheidung aus heutiger Sicht, denn es passt sehr gut zu mir.“

Verschiedene Praktika halfen ihm dabei, sich im breiten Feld der Sozialen Arbeit zu orientieren: „Ich entschied mich, nach der Gesellenprüfung ein Vorpraktikum im sozialen Bereich zu machen. So kam ich zum SOS-Kinderdorf Zwickau und unterstützte das Team des dortigen SOS-Treffs für Kinder und Jugendliche. Die offene Sozialarbeit gefiel mir und bestärkte mich nochmals in meinem Wunsch, an der Hochschule Mittweida am Standort Roßwein Sozialpädagogik zu studieren. Kurz darauf konnte ich mich über den Studienplatz freuen.“

Praxisphasen sind im Studium unabdingbar

Das Studium mit Diplomabschluss war sehr praxisorientiert, erfüllte aber ebenso meine Ansprüche an Forschung und Wissensvermittlung. Vor allem habe ich gelernt, wie man wo recherchieren muss, um an wichtige Informationen zu kommen. Heute, im Berufsleben, ist das eine unverzichtbare Fähigkeit. Während des Studiums konzentrierte ich mich darauf, in den Bereichen ‚Arbeitsmarktintegration von Jugendlichen‘ und ‚Beschäftigungsmöglichkeiten für behinderte Menschen‘ praktische Erfahrungen zu sammeln. Die Praxisorientierung drückte sich in den zwei Praktika aus, die ich freiwillig auf 22 Wochen ausdehnte, um möglichst lange in der Praxis arbeiten zu können. Lange Praxisphasen halte ich aus heutiger Sicht für sehr wichtig. Die Praktika haben mich, professionell gesehen, sehr geprägt und meine Denkweisen verändert. Ich wage sogar zu behaupten, wer Soziale Arbeit ausschließlich theoretisch studiert, lernt an der Praxis vorbei und wird sich nur sehr schwer im Berufsleben zurechtfinden können. Weiterhin haben mir die praxisorientierten Forschungsarbeiten während des Hauptstudiums sehr gefallen. Auf das Diplomsemester fühlte ich mich dadurch gut vorbereitet.“

„Für meine Diplomarbeit kooperierte ich mit dem Integrationsprojekt ‚Zuverdienstfirma für Menschen mit psychischen Erkrankungen’ des Vereins Zwickauer Hilfe Zentrum e.V. in Wilkau-Haßlau. Als ich die Diplomarbeit abgegeben hatte, bekam ich im Projekt einen Arbeitsvertrag als Praxisanleiter angeboten. Nebenher bewarb ich mich natürlich. Als Berufseinsteiger hatte ich es nicht leicht, mich gegenüber besseren Bewerbern abzuheben. Auch hier half es mir, dass ich bei Vorstellungsgesprächen von meinen beruflichen Erfahrungen erzählen konnte und in dieser Hinsicht viel zu bieten hatte. Im August 2005 unterschrieb ich einen Vollzeit-Arbeitsvertrag bei einem Bildungsträger in Döbeln.“

„Die Verwaltungsarbeit darf nicht wichtiger sein als die Arbeit mit den Menschen“

„Nach drei Jahren lernte ich nicht nur die Soziale Arbeit mit lernbehinderten Jugendlichen und langzeitarbeitslosen Erwachsenen kennen, sondern auch die Zwänge, in denen sich viele Bildungsträger befinden. Sie sind immer in Abhängigkeit von Kostenträgern, wie der Arbeitsverwaltung, und in harter Konkurrenz zu anderen Trägern. Da bleibt kaum noch Zeit für die eigentliche Unterstützungsarbeit mit den Jugendlichen. Am Ende konnte ich es nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren, die Verwaltungsarbeit wichtiger sein zu lassen als die Arbeit mit den Azubis. Das widerstrebte meinem professionellen Selbstverständnis.“

Frank Flemming suchte nach einer neuen Anstellung. Seine Vorkenntnisse und praktischen Tätigkeiten halfen ihm, im Bewerbungsgespräch zu überzeugen: „Der neue Job war sehr aufregend. Ich fiel buchstäblich ins kalte Wasser. Gleich nach der ersten Woche stand das große Stadtteilfest an. Ich bekam einfach eine Aufgabe zugewiesen, auch als Leiter. Im selben Monat kündigte noch ein Mitarbeiter im Projekt – eine harte Nuss für mich. Aber die Geschäftsführung übernahm Verantwortung und kümmerte sich um alles. Meine Kollegin und ich mussten uns neu koordinieren, wussten aber schnell, wer welche Aufgaben erfüllen muss. Meine erste wichtige Handlung war die Einführung eines Konzeptes zur ehrenamtlichen Ergänzungsarbeit im Projekt mit drei HelferInnen. Es war sehr spannend, weil absolutes Neuland für mich.“

Langweilig wird es als Sozialarbeiter nie: „Generell gibt es keinen ‚normalen’ Arbeitstag. Das ist gerade der Reiz meiner Tätigkeit. Es gibt eine Wochenstruktur aus Öffnungszeiten mit Gruppenangeboten und Sprechzeiten für Beratungen. Außerhalb der Öffnungs- und Sprechzeiten widme ich mich Gremienterminen in Dresden und Beratungsterminen beim Träger. Ein Tag kann so abwechslungsreich sein, dass ich morgens noch eine Dienstberatung habe, um danach die Kochgruppe anzuleiten. Nach der Kochgruppe kann ich dann noch eine Beratung haben. Ich weiß vorher nicht, was auf mich zukommen wird, da alles von den BesucherInnen des Projektes abhängt. Nur der Terminkalender gibt die Struktur.“

Menschlichkeit und Courage gegen Ungerechtigkeit und Leid

Für Frank Flemming ist die Arbeit auch eine persönliche Charakterentwicklung: „Wenn man mit Menschen arbeitet, die sich aufgrund gesellschaftlicher Abwertung auch selbst abwerten und dabei sogar depressiv werden können, kommt es darauf an, einerseits Menschlichkeit zu zeigen und den Kummer aufzunehmen. Anderseits aber muss man sich immer aufs Neue selbst abgrenzen und lernen, sich selbst wahrzunehmen. Ich erlebe sehr viel Ungerechtigkeit und Leid. Ich unterstütze und begleite. Die Entscheidungen, wie etwa sich zu wehren, müssen die Betroffenen aber selbst treffen. Das kann ich ihnen nicht abnehmen. Meine Stärke ist, mit meiner Ruhe und Sachlichkeit, aber auch mit einem offenen Ohr, auf die Ratsuchenden einzugehen. Das überträgt sich auf die Betroffenen und holt sie aus ihrer Aufgeregtheit. Bei mir gibt es immer Optionen und ich mache Mut. Das Miteinander der BesucherInnen ist nicht immer harmonisch. Kommen Konflikte auf, stellt mich das vor große Herausforderungen. Dabei ist mir wichtig, dass die Grundregeln des Respekts voreinander eingehalten werden.“

„Aber ich befinde mich in einer Entwicklung, die mich positiv stimmt. Ich bin heute sehr zufrieden – mit meinem Träger, mit meiner Arbeit, mit den KlientInnen und nicht zuletzt mit mir. Ich möchte mich derzeit beruflich nicht verändern. Ich kann mich bei diesem Träger persönlich weiterentwickeln. Schon nach vier Jahren habe ich viel gelernt und meine Professionalität verbessert.“

Dennoch verfolgt Frank Flemming zurzeit zwei Ziele: „Ich werde im Februar 2013 meine zweijährige Ausbildung in personzentrierter Gesprächsführung nach Carl Rogers abschließen. Diese Weiterbildung hat mich in letzter Zeit entscheidend beeinflusst. Noch viel mehr, sie ist zu meiner persönlichen Einstellung anderen Menschen gegenüber geworden. Ich wende Techniken im Umgang mit KlientInnen bei Beratungen und mit Kollegen bei Teamgesprächen und Fallbesprechungen an. Gern würde ich die Weiterbildung fortsetzen bzw. intensivieren. Dieses Jahr nutze ich zudem ein Leitungscoaching. Ich möchte mich als Leiter weiterentwickeln und meine Rolle noch besser ausfüllen.“ Wir wünschen Frank Flemming dabei für die Zukunft alles Gute.

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